Alte Nacht

12,00

Album CD, 2000, Distillery Records

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Beschreibung

Wieder mal war es schwer, ein Album des Monats zu küren. Im Dezember erscheint nun mal nicht mehr viel. So war ich schon versucht, was Älteres zu nehmen, das  mir erst jetzt in die Hände fiel. Doch dann kam diese unglaublich dichte, starke  Scheibe einer Berliner Band, von der ich zuvor noch nie was gehört habe (obwohl dies schon ihr viertes Album ist).

Mit deutschen Texten hab’ ich ja oft so meine  Probleme, und es gibt nur wenige deutschsprachige Bands, die ich  uneingeschränkt akzeptiere. Infamis gehören mit ihrem neuen Album dazu. Ähnlich  wie vor zwei Jahren bei Viktoriapark bilden hier Text und Musik eine Einheit. So ist man nicht gezwungen, auf den Inhalt zu achten. Und doch werden feine intime Geschichten erzählt, die genial musikalisch umgesetzt sind.

Die Grundstimmung der Platte ist eher düster, der Jahreszeit angepasst, aber keinesfalls hoffnungslos. Ein warmes, versöhnliches Instrumentarium aus Akkordeon, nach Harmonium  klingender Orgel, Slide-Gitarren und Piano schafft eine fast heimelige Atmosphäre.   Ein Vergleich mit Element Of Crime liegt nahe. Aber Infamis klingen rauher und irgendwie trotziger. Hin und wieder zieht das Tempo an und es wird richtig gerockt. Von Leonard Cohen über Tom Waits bis Nick Cave reicht die Palette der möglichen Einflüsse.

Im Bandinfo heisst es: “Am 30.3.1912 ist Karl May gestorben. 88 Jahre sollte es dauern, bis eine Band dengängen schreibt.” und etwas später: “Es geht um Wald-, Wiesen und Western-Romantik, um Maskerade, Versteckspiel und Häutung. Wir sind begeistert. Pathetisch,  sentimental, manchmal hart an der Grenze zum Klischee – andererseits  eigenbrödlerisch und verschlossen. Wie immer gemacht für die Typen mit einer  Träne im Knopfloch, handelt es sich hier um eine gute, eine herausragende Platte.” Die Sache mit Karl May kann ich nicht so recht nachvollziehen, aber ansonsten habe ich bisher noch keine so zutreffende Selbsteinschätzung einer Band gelesen. Diese Platte ist seltsam, beeindruckend und in der Tat herausragend. Mike Korbig – Radio 1/Let´s Rock- Album Des Monats Dezember